09.11.2012: Gedenken an Pogromnacht

Am 09.11.2012 gedachten in Görlitz zahlreiche Menschen den Opfern der Pogromnacht vom 09.11.1938. Auch in Görlitz gab es damals unzählige Übergriffe. Betroffen waren v.a. jüdische Geschäfte, Einrichtungen, Praxen etc.. Es wurde auch versucht die Synagoge in Brand zu stecken, was aber glücklicher Weise misslang.

In den letzten Jahren hat die Beteiligung an den Gedenkveranstaltungen erfreulicher Weise zugenommen. Auch dieses Jahr nahmen speziell am Spaziergang entlang der Stolpersteine zahlreiche Jugendliche teil. Dabei wurden die Stolpersteine gesäubert und Blumen niedergelegt. An einer kurzen Abschlusskundgebung in der Salomonstrasse wurde auch ein Redebeitrag der Antifaschistischen Aktion Görlitz verlesen (s.u.). Organisiert wurde der Gedenkspaziergang von Görlitzer Vereinen und Initiativen.

Doch auch die anderen Veranstaltungen im Rahmen des Gedenkens waren gut besucht. Schon nachmittags beteiligten sich ca. 30 Görlitzer_innen an einer Kranzniederlegung am jüdischen Friedhof und am traditionellen Gedenken am Abend an der Synagoge nahmen nochmals ca. 100 Görlitzer Bürger_innen teil.

    Der Redebeitrag der Antifaschistischen Aktion Görlitz:

Vom 09. September und vom 09. November

Wenn in Deutschland vom 09. November gesprochen wird, dann wissen die meisten Menschen mit diesem Datum etwas anzufangen. Wir gedenken an diesem Tag den Menschen, die in der Pogromnacht 1938 aus antisemitischen Motiven ermordet, verletzt oder gedemütigt wurden.

Und der 09. September?

Am 09. September 2000 starb Enver Simsek. Ein erfolgreicher Blumengroßhändler aus Nürnberg. Er wurde mit 8 Schüssen hingerichtet. Erschossen von Mitgliedern eines Neonazi – Netzwerks namens NSU. Er war das Erste von mindestens 9 Opfern des NSU, die aus rassistischen Motiven getötet wurden.

Was verbindet die beiden Ereignisse?

Zuerst einmal starben an beiden Daten Menschen durch Nazis. Doch damit nicht genug. Die Pogrome 1938 waren durch den Deutschen Staat organisiert. Weite Teile der deutschen Bevölkerung schwiegen dazu oder stimmten dem Pogrom zu.

Die Neonazi – Mordserie die ihren Anfang am 09.September 2000 nahm, wurde ebenfalls von weiten Teilen der deutschen Bevölkerung mit Gleichgültigkeit bedacht. Man spottete sogar darüber und nannte sie abschätzig „Döner – Morde“. Ein Zeichen für den latent vorhandenen Rassismus der sogenannten „demokratischen Mitte“. Jahrelang wollte man nicht sehen, was schon über hundert Menschen migrantischer Herkunft seit 1990 das Leben gekostet hat: Eine rassistische Tatmotivation. Erst als es offensichtlich wurde kam die Betroffenheit. Davor wollte man die Schuld an den Morden lieber den Opfern in die Schuhe schieben, indem man sie in mafiöse Strukturen hineinsteckte. Rassismus? – Was ist das denn?

Welche Rolle spielte der Deutsche Staat in dieser NSU – Mordserie?

Niemand braucht erwarten, dass dies jemals aufgeklärt wird. Denn die Verantwortlichen haben keine Motivation an einer Aufklärung mitzuarbeiten. Ganz im Gegenteil. Es wurde von Anfang an vertuscht und dies wird auch weiter so sein. Wir werden also nur das erfahren, was nicht mehr zu vertuschen ist oder durch glückliche Zufälle ans Licht kommt.
Doch das reicht schon um zu wissen, dass in diesem Staat eine Organisation besteht, die ihr ganz eigenes Ding dreht. Ohne dass jemand weiß was diese Organisation macht oder Kontrolle darüber hat. Diese Organisation ist der Inlandsgeheimdienst namens Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz hat den Aufbau der NSU – Vorfeldtruppe namens „Thüringer Heimatschutz“ erst mit dem Zuschuss von mindestens 200 000 D – Mark ermöglicht. Wichtige Neonazi – Organisatoren im Thüringer Heimatschutz waren Mitarbeiter des Verfassungsschutz. Vielleicht stehen auch Mitglieder des NSU – Netzwerkes auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes. Wie gesagt, wir werden es wohl nie erfahren.

Und was Lehren ziehen wir aus den beiden Ereignissen?

Beide Ereignisse wurden aus menschenverachtendem Hass getrieben. Der nationalsozialistische und auch der aktuelle demokratische deutsche Staat hatten direkt oder indirekt ihre Anteile an den schrecklichen Verbrechen.

Die Pogromnacht 1938 war der AUFTAKT zu einer in der Geschichte einmaligen Vernichtungsaktion an den europäischen Juden.
Es ist an der Zeit, dass die Mordserie des NSU das ENDE von Rassismus und Antisemitismus einläutet. Dies müssen wir zu unserem Auftrag machen! Auf allen Ebenen – politisch, sozial, kulturell gilt es menschenverachtende Tendenzen entgegenzutreten.

Dies heißt auch faschistische Organisationen und ihre staatlichen Unterstützer entschlossen zu bekämpfen und handlungsunfähig zu machen!

Das heutige Gedenken an die Opfer des 09. November 1938 sollte uns auch die Kraft dazu geben.