Sächsische Demokratie – das nächste Kapitel

Die in Dresden auch 2013 massenhaft angewandte Funkzellenabfrage war rechtswidrig. Dass dies eine Auswirkung auf polizeiliches Handeln in Sachsen haben wird, darf allerdings bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass Polizei und Verfassungsschutz in Sachsen auch weiterhin ihr ganz eigenes Ding machen ohne Rücksicht auf Gesetze oder Menschenrechte zu nehmen. Auch ob das Löschen der Daten jemals wirklich stattfinden wird, steht wohl in den Sternen.

Artikel der Sächsischen Zeitung:

Dienstag, 23.04.2013
Funkzellenabfrage war rechtswidrig
Späte Genugtuung: Nach nunmehr zwei Jahren steht fest, dass in Sachsen zu Unrecht massenhaft Daten erhoben wurden. Nun muss gelöscht werden.

Dresden. Das von der Polizei veranlasste Sammeln tausender Handydaten am Rande der Proteste gegen den Neonazi-Aufmarsch am 19. Februar 2011 in der Dresdner Südvorstadt war rechtswidrig. Das geht aus einem Beschluss des Landgerichtes Dresden hervor, der dem Linke-Abgeordneten Falk Neubert am Dienstag zugegangen ist. Laut Landgericht müssen die auf Anordnung des Dresdner Amtsgerichtes erhobenen Daten gelöscht werden. Die Entscheidung ist endgültig, sie kann nicht mehr angefochten werden (Aktenzeichen 15 Qs 34/12). „Die Entscheidung des Landgerichtes erfüllt uns mit großer Freude, weil sie unsere Auffassung vom Schutz der Demonstrationsfreiheit bestätigt“, erklärte Neubert.

Das Amtsgericht habe damals seine Anordnung zur Datenabfrage in der Südvorstadt nicht ordentlich begründet, sagte Neuberts Rechtsanwalt André Schollbach. Das Landgericht habe schwerwiegende Mängel in der Begründung moniert. Auch die Staatsanwaltschaft Dresden sprach am Abend von einem formalen Mangel. Die Südvorstadt war damals Hauptschauplatz der gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen mehr als 100 Polizisten verletzt wurden.

Die Datenabfrage im Bereich der Großenhainer Straße hingegen sei rechtmäßig gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft Dresden ergänzend mit. Die Erhebung der Daten dort sei zur Aufklärung schwerer Straftaten verhältnismäßig gewesen. Dort war wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung aus dem linken Spektrum ermittelt worden. Die Verfahren seien inzwischen alle eingestellt, sagte Schollbach.

Die massenhafte Abfrage der Handydaten nicht nur in der Südvorstadt hatte 2011 für heftige Proteste auch außerhalb Sachsens gesorgt. Bei der sogenannten Funkzellenabfrage waren auch Daten von Menschen erfasst worden, die sich gar nicht an den von Gewalt begleiteten Protesten gegen Neonazis beteiligt hatten. Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Rechtsanwälte und Journalisten protestierten, weil sie sich in ihren Rechten verletzt sahen. Datenschützer kritisierten die Aktion als unverhältnismäßig.

„Dieses Gerichtsurteil muss nun zu einem Umdenken der sächsischen Regierungspolitik führen“, erklärte Neubert. Bei der massenhaften Datenabfrage gehe es nicht um belanglose polizeiliche Maßnahmen, sondern um Eingriffe in demokratische Grundrechte. Anwalt Schollbach ergänzte: „Die Bestimmungen der Strafprozessordnung und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit wurden in grober Weise verletzt.“

Das Amtsgericht wollte den Vorgang nicht kommentieren. Es hatte damals auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Erfassung der Daten angeordnet, weil die Polizei so Straftätern auf die Spur kommen wollte. Das selbe Gericht lehnte später eine Beschwerde dagegen ab. Deshalb ging der Fall ans Landgericht. (dpa)